textSCHNIPSEL – Kant
Warum diese UnterRubrik? Ist deren Bezeichnung nicht viel zu unspezifisch?
Ja und nein gleichermaßen. Denn genau das ist der Grund, genau das ist es, warum sie eingerichtet worden ist: unspezifisch zu sein, ein SAMMELSURIUM unterschiedlicher, inhaltlich-sachlicher wie interpretativ-kommentierender SPLITTER darzustellen, u. z. zu allem, was direkt oder indirekt mit Kant zu tun hat, was irgendwie zu Kant in Beziehung gesetzt, mit ihm in irgendeinen Zusammenhang gebracht werden kann ...
|
31. Dezember 2015 |
textSCHNIPSEL |
|
zur: Aktualität Kants
Erfreulich, sehr erfreulich, dass Immanuel Kant einen sofort ins Auge fallenden Platz auf der Titelseite (u. z. direkt unter dem »Zeitungskopf«) einer renommierten großen Wochenzeitung eingeräumt wird – in: DIE ZEIT / Nr. 49 / 3. Dezember 2015!
In dem sog. »Bildaufmacher« ist neben Kants (allerdings stark schönheitschirurgisch verjüngt geglättetem) Konterfei sein berühmt gewordener Wahlspruch der Aufklärung zu lesen, nämlich: »Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen«. Ergänzt wird die entsprechend groß gedruckte Titelzeile durch die etwas kleiner gehaltenen Unterzeilen: »Er glaubte an die Vernunft und den Weltfrieden. Was wir gerade in diesen entfesselten Zeiten vom großen Aufklärer Immanuel Kant lernen können«.
In der Titelgeschichte im Feuilleton-Teil stellt Thomas Assheuer die Frage »Was nun, Herr Kant?« Und im dazu gehörenden Untertitel heißt es: »Er war der Philosophie der Vernunft und des Friedens. Warum er gerade in Kriegszeiten aktuell ist«.
Unter dem Titel »Wir dürfen Kant nicht missverstehen« sowie dem sog. »Lead«, in dem es heißt: »Der Terror des ›Islamischen Staates‹, der Krieg in Syrien, gescheiterte Interventionen und kollabierende Staaten: Kants Hoffnungen auf eine internationale Friedensordnung scheinen derzeit Illusion zu sein. Warum wir seine Rechtsgrundsätze trotzdem nicht preisgeben dürfen [...]«, ist ein ausführliches (sehr lesenswertes und aufschlussreiches) Gespräch Assheuers mit dem Frankfurter Philosophen Rainer Forst abgedruckt.
Im Anschluss gehen 11 Philosophinnen und Philosophen aus aller Welt der Frage »Was bleibt von Immanuel Kant?« nach und versuchen zu erklären, was der deutsche Denker uns heute bedeutet (denn sie sind es ja schließlich, die die Werke Kants gelesen, studiert, analysiert, mithin verstanden haben und die sie demzufolge uns erklären können ...).
Allein die zu den einzelnen Beiträgen gewählten Titel lassen die jeweilige Einschätzung (bzw. den jeweiligen Aussageakzent) der Beitragsverfasser im Hinblick auf die Bedeutung und Aktualität Kants für uns heute erkennen:
»Er ist viele« (Achille Mbembe) / »Er sah alles voraus« (Pankaj Mishra) / »Er war kein Träumer« (Donatella Di Cesare) / »Er ist unbrauchbar« (Raymond Geuss) / »Er ist unverzichtbar« (Mohamed Turki) / »Er steht für das Recht« (Kenichi Mishima) / »Er lässt uns die Wahl« (Ágnes Heller) / »Er ruht in Frieden« (Bruno Latour) / »Er ist lebenswichtig« (Vladimir Kantor) / »Er ist Chinese« (Wang Hui) / »Er denkt die Freiheit« (Robert B. Brandom) ... |
|
28. Dezember 2015 |
textSCHNIPSEL |
|
zu: »Kant und die Aufklärung«
Es ist schon einigermaßen verwegen, wenn ein Artikel (oder soll es etwa eine Rezension sein?) in DIE WELT / Feuilleton - Kultur vom 20.11.2015 mit der Schlagzeile titelt: »Ausgerechnet Kant hat die Aufklärung nicht kapiert« und sich dabei auf das (2015 erschienene) dickleibige Werk von Steffen Martus, Aufklärung – Das deutsche 18. Jahrhundert. Ein Epochenbild bezieht.
Im sog. »Lead« (dem Vorspann, in dem die relevanten W-Fragen beantwortet und die inhaltlich wichtigsten Aspekte kurz zusammengefasst werden sollen) formuliert Mladen Gladic, der Verfasser des Artikels, kaum weniger salopp: »›Was ist Aufklärung?‹ Bis heute definiert man die Epoche mit Kant. Jetzt weist eine neue Studie nach: Kant konnte alles, aber die Meinungsfreiheit und Diversität seiner Zeit konnte er nicht ab.« – Die Fragen, die sich einem fast zwangsläufig stellen, sind: Wer hat hier eigentlich die Aufklärung nicht kapiert? Könnte es vielleicht der Verfasser jenes Artikels sein? Hat er vielleicht Kants Schrift zur Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? selbst gar nicht in Gänze gelesen? Ist ihm vielleicht deren Eingebundensein in Kants gesamtes kritisch-philosophisches Unternehmen nicht in ausreichender Weise bekannt? Sitzt der Artikelschreiber zudem nicht vielleicht einem sich als aufgeklärt gerierenden Modernismus auf, wenn er für jenen Zusammenhang eher unpassende Begriffe wie Outsourcing und Crowdsourcing verwendet?
Ganz anders dagegen und keinesfalls selbstgefällig, sondern informativ liest sich die Buchkritik von Thorsten Jantschek im Deutschlandradio Kultur vom 30.10.2015, die im Titel die Frage, die nicht zuletzt auch uns Heutige durchaus angeht und beschäftigen sollte, stellt: »Kant und Co. als Schöpfer eines unvollendeten Projektes?«
Im »Lead« seiner Rezension (denn um eine solche handelt es sich, da der Leser / die Leserin sogleich erfährt, worum es in dem folgenden Text geht!) heißt es: »In seinem Buch ›Aufklärung – Das deutsche 18. Jahrhundert‹ skizziert Steffen Martus auf fulminante Weise ein Epochenbild. Immanuel Kant kommt darin als marktschreierischer Werbetexter der Aufklärung vor, die damaligen Verhältnisse erscheinen als ein meisterhaftes Wimmelbild.«
Immer wieder aufs Neue erstaunlich (und bisweilen bemerkenswert) ist es, wie sich in Formulierungen von Titeln bzw. Schlagzeilen unterschiedliche Zugriffsweisen und Lesarten niederschlagen, obwohl sie sich auf ein und den gleichen Gegenstand, in diesem Fall auf ein und das gleiche Schriftwerk beziehen, sodass gänzlich andere Eindrücke von dem Gegenstand bzw. dem Schriftwerk entstehen!
Deshalb hier einige ergänzende (aus meiner Sicht notwendig erscheinende) Anmerkungen:
Dass Kants Darstellungsweise in aller Regel definitiv (oder definitorisch – ganz wie man will), keinen Widerspruch duldend (obgleich selbst Widerspruch erhebend), mithin apodiktisch und letztgültig auftritt, ist hinlänglich bekannt und soll auch überhaupt nicht bestritten werden.
Ebenso (zur Ermüdung!) hinlänglich bekannt ist (oder sollte es zumindest sein!), dass es Kant in seinem philosophisch-kritischen, seinem transzendental-philosophischen Unternehmen um das Herausfinden der Möglichkeiten UND Grenzen unseres Erkennens, Handelns und Urteilens geht. Das bedeutet zugleich, dass die VERNUNFT, so wie Kant sie verstanden wissen will, einen sich selbstkritisch hinterfragenden, gleichsam AUF SICH SELBST REFLEXIVEN GRUNDZUG hat, dass in ihr sozusagen Selbstbescheidung angelegt[1] sei.
Ferner dürfte allgemein bekannt sein, dass der Hauptpunkt Kants in seinem kleinen Aufsatz zur Beantwortung der Frage, was denn Aufklärung sei, vorzüglich in Religionssachen gesetzt[2] ist, soll aber an dieser Stelle (da es doch allzu oft aus dem Blick zu geraten scheint!) noch mal besonders betont werden. Wenn Kant allerdings gleich im zweiten Abschnitt von Faulheit und Feigheit als den Ursachen für eine zeitlebens gelebte Unmündigkeit eines großen Teils der Menschen spricht und wenn er sagt, dass ein Buch, das für mich Verstand hat, ein Seelsorger, der für mich Gewissen hat, ein Arzt, der für mich die Diät beurteilt, u. s. w., mich von jedem Selbstbemühen entbindet, ich somit nicht mehr selbst zu denken genötigt bin, sofern ich nur bezahlen kann, und andere das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen werden, dann ist natürlich klar, dass derartige »Sachen« immer zugleich auch ins Gesellschaftlich-Politische spielen.
Kants KURZFASSUNG VON AUFKLÄRUNG, die er in einer mit Sternchen versehenen Anmerkung gegeben hat, lautet: die Maxime, jederzeit selbst zu denken, ist die Aufklärung. Vollständig liest sich die Anmerkung wie folgt: Selbstdenken heißt den obersten Probierstein der Wahrheit in sich selbst (d. i. in seiner eigenen Vernunft) suchen, und die Maxime, jederzeit selbst zu denken, ist die Aufklärung. Dazu gehört nun eben so viel nicht, als sich diejenigen einbilden, welche die Aufklärung in Kenntnisse setzen: da sie vielmehr ein negativer Grundsatz im Gebrauche seines Erkenntnisvermögens ist, und öfter der, so an Kenntnissen überaus reich ist, im Gebrauche derselben am wenigsten aufgeklärt ist. Sich seiner eigenen Vernunft bedienen will nichts weiter sagen, als bei allem dem, was man annehmen soll, sich selbst fragen: ob man es wohl tunlich finde, den Grund, warum man etwas annimmt, oder auch die Regel, die aus dem, was man annimmt, folgt, zum allgemeinen Grundsatze seines Vernunftgebrauchs zu machen. Diese Probe kann ein jeder mit sich selbst anstellen; und er wird Aberglauben und Schwärmerei bei dieser Prüfung alsbald verschwinden sehen, wenn er gleich bei weitem die Kenntnisse nicht hat, beide aus objektiven Gründen zu widerlegen. Denn er bedient sich bloß der Maxime der Selbsterhaltung der Vernunft. Aufklärung in einzelnen Subjekten durch Erziehung zu gründen, ist also gar leicht; man muß nur früh anfangen, die jungen Köpfe zu dieser Reflexion zu gewöhnen. Ein Zeitalter aber aufzuklären, ist sehr langwierig; denn es finden sich viel äußere Hindernisse, welche jene Erziehungsart teils verbieten, teils erschweren.[3]
Des Weiteren ist anzumerken, dass Kant in seiner Beantwortung der Frage, was denn Aufklärung sei, zudem unmissverständlich die ENTSCHEIDENDE ROLLE DEN MINDERHEITEN DER MUTIG »SELBSTDENKENDEN« zugewiesen hat. Dabei stellt er nicht weniger deutlich den Mechanismus der Vorurteile und deren Rückwirkung auf ihre Urheber[4] in Verbindung mit »Revolution« und dem, was er die wahre Reform der Denkungsart nennt, heraus. Zwar könne ein Publikum nur langsam zur Aufklärung gelangen. Dennoch ist er auf der einen Seite einigermaßen zuversichtlich, dass sich immer einige Selbstdenkende, sogar unter den eingesetzten Vormündern des großen Haufens, finden werden, die, nachdem sie das Joch der Unmündigkeit selbst abgeworfen haben, den Geist einer vernünftigen Schätzung des eigenen Werts und des Berufs jedes Menschen, selbst zu denken, um sich verbreiten werden.[5] Auf der anderen Seite sagt er aber auch, dass durch eine Revolution vielleicht wohl ein Abfall von persönlichem Despotism und gewinnsüchtiger oder herrschsüchtiger Bedrückung, aber niemals wahre Reform der Denkungsart zu Stande komme, sondern neue Vorurteile werden, eben sowohl als die alten, zum Leitbande des gedankenlosen großen Haufens dienen.[6]
Noch etwas darf für den gedanklichen Zusammenhang, in dem Kant von einem »Zeitalter der Aufklärung« schreibt und, ganz im Gegensatz zum erst genannten Titel, sehr wohl »kapiert» hat, was Aufklärung ist (oder vielleicht zu sein hat), nicht außer Acht gelassen werden, und zwar die Frage, ob wir jetzt in einem aufgeklärten Zeitalter leben, die Kant mit einem klaren Nein beantwortet. – Und es wäre sicherlich nicht verkehrt oder gar zu unserem Schaden, wenn mit dem Wir AUCH WIR HEUTIGEN uns (zumindest gelegentlich) angesprochen fühlten! – Denn, so Kants begründende Aussage: Daß die Menschen, wie die Sachen jetzt stehen, im ganzen genommen, schon im Stande wären, oder auch nur gesetzt werden könnten, in Religionsdingen sich ihres eigenen Verstandes ohne Leitung eines andern sicher und gut zu bedienen, daran fehlt noch sehr viel.
Unmittelbar daran anschließend aber sagt er (und jetzt durchaus zuversichtlich): Allein, daß jetzt ihnen doch das Feld geöffnet wird, sich dahin frei zu bearbeiten, und die Hindernisse der allgemeinen Aufklärung, oder des Ausganges aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit, allmählich weniger werden, davon haben wir doch deutliche Anzeigen. Und einzig im Hinblick auf die zweifellos vorhandenen Anzeichen, also nur in diesem Betracht ist dieses Zeitalter das Zeitalter der Aufklärung.[7]
[1] |
|
Martin Doehlemann, Dummes Zeug. Zur kulturellen Konstruktion von Unsinn / 2001 / S. 86 |
[2] |
|
Immanuel Kant, Werke in zwölf Bänden – Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? / hrsg. v. Wilhelm Weischedel (1964) 1968 / Bd. XI / S. 60 |
[3] |
|
Immanuel Kant, Werke in zwölf Bänden – Was heißt: sich im Denken orientieren? /hrsg. v. Wilhelm Weischedel (1964) 1968 / Bd. V / S. 283 Anm.
beide Aufsätze sind zuerst in Berlinische Monatsschrift (eine der zu Zeiten Kants bedeutendsten Zeitschriften zur sog. deutschen Aufklärung) veröffentlicht – der zur Beantwortung der Aufklärungsfrage in der Dezember-Ausgabe 1784 und der zur Orientierung im Denken in der September-Ausgabe 1786 |
[4] |
|
Erhard Bahr im Nachwort zu der von ihm herausgegebenen Sammlung von Schriften zu Was ist Aufklärung?– Thesen und Definitionen / (1974) 1978 / S. 76
es soll aber keinesfalls unterschlagen werden, dass (so Bahr) Kant sich aufgrund der gesellschaftlich-politischen Verhältnisse für das Argument der Ordnung und Sicherheit entschieden habe und dass man infolgedessen den Aufsatz als Spiegelbild der preußischen Staatsaufklärung bezeichnet habe. Die Frage, die sich somit stellt, ist, ob nicht das Argument der Ordnung und Sicherheit des Staates ›dem Gedanken der Aufklärung im Grunde seine Überzeugungskraft wieder nimmt.‹ (Jürgen Mittelstrass, zitiert nach Bahr / S. 78) – daraus jedoch allen Ernstes ableiten zu wollen, ausgerechnet Kant habe »die Aufklärung nicht kapiert« und er könne alles, »aber die Meinungsfreiheit und Diversität seiner Zeit konnte er nicht ab«, schießt nach meiner Einschätzung weit übers Ziel hinaus! |
[5] |
|
Kant, Werke – Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? / Bd. XI / S. 54 |
[6] |
|
a. a. O. / Bd. XI / S. 55 |
[7] |
|
a. a. O. / Bd. XI / S. 59 |
|
|
12. Februar 2014 |
buchKOMMENTAR |
|
zu: Fünf (irgendwie aus der Reihe fallende) Bücher von und zu Kant
1. |
Kant zum Vergnügen – »Man merkt leicht, daß auch kluge Leute bisweilen faseln«
Hrsg. v. Volker Gerhardt
Stuttgart 2003 / Reclam Vlg. (Universal-Bibliothek Nr. 18281) / 155 Seiten
Eine (wie ich finde) überzeugend zusammengestellte Sammlung (aus der ich bereits mehrfach zitiert habe) an Texten aus unterschiedlichsten Schriften Kants, die durch Lust machende Kapitelüberschriften gegliedert und durch »Anekdotisches über Person und Leben des Philosophen« angereichert zur Einstimmung sehr geeignet ist.
Denn (so wird Kant vielsagend auf dem rückseitigen Cover zitiert): »Es ist niemals zu spät, vernünftig und weise zu werden«.
|
2. |
Wahrheitsgetreuer Bericht über meine Reise in den Himmel verfaßt von Immanuel Kant
München 1997 / Matthes & Seitz Vlg. / 112 Seiten
»Was Kant noch nicht kannte.« – heißt es auf der Rückseite des Umschlags! Der Klappentext bringt das Besondere der »Reise« auf den Punkt: »In dieser Burleske wird Philosophie zu einer fechterischen, amüsanten Lektüre! Unser Buch ist Arznei gegen Begriffs-Gärtnerei. (Die meisten Begriffe der Philosophie sind Konstruktionen, Fluchtversuche, Ausreden, Worte, nichts weiter. Aber dem Laien, dem Philosophie begegnet, wird höchst imponiert.) Dieser Verbalismus, kalt und einteilend, wird hier ironisiert. Philosophen: ihre Wichtigtuerei, Schüler, die Lehrer spielen wollen. [...] Der große Königsberger Philosoph und Ordinarius Immanuel Kant gelangt in den Olymp: Kant wird verhört und katechisiert von seinen erleuchteten Vorgängern, die überlegen tun gegen den Epigonen. Der Himmel akzeptiert ihn nicht. [...]
Dieses Buch vereint zwei Jenseits-Auffassungen von Kant: Zunächst spricht er als Himmlischer. Im 2. Teil des Buches aber als Irdischer, 70jährig.«
|
3. |
Thomas De Quincey
Die letzten Tage des Immanuel Kant
München 1991 / Matthes & Seitz Vlg. / 143 Seiten
Im einleitenden Beitrag von Giorgio Manganelli sagt dieser zum Titelessay: »Eines Tages im frühen 18. Jahrhundert traf Thomas De Quincey Immanuel Kant.«
Allerdings: »Wann und wo sie sich trafen, ist schwer zu sagen.« Und er fährt fort: »Was bei einer exquisiten wie grausamen Flunkerei im Zusammenspiel zwischen Anstifter und Meuchelmörder herauskam, ist ein knapper Essay [...], kongenial herausgegeben von Fleur Jaeggi [...]«. Und im Klappentext ist von Marcel Schwob zu lesen: »In Wahrheit ist dieses Werk, Zeile für Zeile, einzigartig von De Quincey: mit einem bewundernswerten Kunstgriff [...] zeigt sich auch De Quincey als ein ›Fälscher der Natur‹ und er hat seine Erfindung mit einem gefälschten Siegel der Realität gesiegelt.« Was auch immer davon zu halten ist, so erfährt der Leser, die Leserin sehr wohl Interessantes über Kant und ist (meiner Meinung nach) eine lesenswerte Sammlung von Aufsätzen verschiedener Autoren.
|
4. |
Jean-Baptiste Botul
Das sexuelle Leben des Immanuel Kant
Hrsg. u. übersetzt v. Dieter Redlich u. Angelika Rüther
Leipzig 2001 / Reclam Vlg. (Reclam Bibliothek Leipzig, Bd. 2001) / 93 Seiten
Dem rückseitigen Covertext kann ich durchaus zustimmen: »Eine lustvolle Einführung in die Kantsche Philosophie«. In acht Vorträgen, die von einem fiktiven Philosophen (mit einer ebenfalls erdachten Biographie ausgestattet von dem Journalisten Frédéric Pagès) gehalten werden, wird ein fürwahr außergewöhnlicher Blick auf (und in) die Philosophie Kants geworfen (bzw. ermöglicht).
Es ist ein (wenngleich bisweilen drastischer, aber) überaus lesenswerter, geistreicher und »intelligenter philosophiegeschichtlicher Fake« (Manfred Geier) im Hinblick auf die zusammengetragenen Materialien, wenn es z. B. in einem Vortrag heißt: »Unser Philosoph hat ein Problem mit der Reproduktion der Gattung Mensch. Was er meidet, ist nicht die Sexualität, sondern ihre Konsequenz, d. h. die menschliche Vermehrung.« Aber es »gibt ein Mittel, diesem traurigen Schicksal zu entrinnen. Es ist die Philosophie.«
|
5. |
Kant IN heutigem Deutsch. Sechs kritische Essais
Übersetzt und herausgegeben von Hans-Peter Gensichen
Norderstedt 2013 / BoD / 175 Seiten
Es handelt sich um eine Sammlung von sechs ausgewählten Vorworten (bzw. Vorreden) zu sechs bedeutende Schriften Kants, die in »heutiges, in modernes Deutsch ›übersetzt‹ bzw. übertragen« und infolgedessen leichter lesbar und auch leichter verstehbar werden. Dabei wird vom Herausgeber selbstverständlich versucht, »den inhaltlichen Sinn weitestgehend beizubehalten, aber Grammatik, Syntax, Rechtschreibung in modernem Deutsch zu halten. Sinn und Ziel ist es, ›Kant-Laien‹ das Verstehen seiner Theoretischen Philosophie und Ethik zu erleichtern, ohne doch auf deren Tiefgang zu verzichten.« (so auf dem rückseitigen Cover).
Zum Vergleich der »Übersetzungen« sind immer wieder originale Textpassagen eingebunden. Entsprechende »Anmerkungen sorgen für Hintergrundwissen, das in Kants Vorreden vorausgesetzt wird, heute aber bei jüngeren Lesern [...] durchaus nicht klar vorhanden ist.«
|
|
[erstellt: 20.09.2014 – ergänzt: 02.01.2016]
|
|